Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Diesen Spruch hat wohl jeder schon einmal gehört. Ich möchte diesen Newsletter nutzen um etwas tiefer in das Thema Kontrolle einzusteigen. Dabei geht es um Selbstkontrolle, um Partnerkontrolle wie um Kontrolle in Unternehmen.
Es macht Sinn, Kontrolle von mehreren Seiten zu beleuchten.
Ein Beispiel: Du kontrollierst am Morgen, ob Du den Hausschlüssel wirklich dabei hast, bevor Du das Haus verlässt. Hier ist Kontrolle wahrscheinlich sinnvoll.
Wenn Du das gleiche bei deiner geistig fitten besseren Hälfte dauernd machst (zum Beispiel durch die Frage: Schatz, hast Du den Schlüssel dabei?), gewöhnst Du ihr auf lange Sicht ab, selbst noch an den Schlüssel denken zu können. Vielleicht ist sogar die Frage erlaubt, warum Du den Schlüssel nicht gleich selbst mitnimmst dann.
Wenn Du Deine bessere Hälfte einmal danach fragst, weil Du normalerweise immer dafür sorgst, dass der Schlüssel mitkommt, dann verhinderst Du, dass ihr nicht mehr ins Haus kommt. Das kann also sinnvoll sein.
Wenn Du fragst, weil du davon ausgehst, dass die bessere Hälfte den Schlüssel bei der vermuteten Freundin / Freund gelassen hat, dann ist das eine sogenannte Fangfrage.
Was bedeutet das alles? Ich will es versuchen, etwas zu strukturieren:
1. Eigenkontrolle macht Sinn, wenn es Dir wirklich hilft. Wenn es dazu führt, dass Du fünfmal ins Haus läufst, um zu schauen, ob der Herd aus ist, dann wird Eigenkontrolle langsam ungesund. Übrigens: Das mit dem Herd bekommt man in aller Regel gelöst, wenn man innehält vor dem Herd und ganz bewusst im Geiste ein Foto des ausgeschaltenen Herdes knipst. 😉
2. Andere zu kontrollieren indes bedarf triftiger Gründe. Warum? Weil die unabgesprochene Kontrolle anderer meistens dafür sorgt, dass die gegenseitige Augenhöhe verloren wird. Der Kontrollierende erhebt sich über den Kontrollierten. Im Führungsalltag entstehen so für beide Seiten oft energieraubende Muster. Die Entwicklung des Kontrollierten wird behindert, der Kontrollierende wird auf Dauer zur Karikatur einer Führungskraft. Wer kontrolliert wird, ohne dass das vereinbart wird, spürt Misstrauen und wird oft sogar regelrecht in die Verantwortungslosigkeit gezwungen. Der Kontrollierende verliert Vertrauen und muss infolgedessen immer mehr kontrollieren. Ein Teufelskreis.
Leider ist es in ganz vielen Organisationen so, dass sich Mitarbeiter und Führungskräfte mit dieser Form der Kontrolle ganz hervorragend eingerichtet haben: Der Mitarbeiter wird kontrolliert, also muss er nicht mehr selbst denken, das Gehirn freut sich und fährt in den Sparmodus, die Führungskraft spürt Macht und (trügerische) Sicherheit und kann sich darüber beklagen, dass die Mitarbeiter dauernd kontrolliert werden müssen.
3. Raus aus diesen Kontrollmustern erfordert Mut: Wenn man in Unternehmen aus diesen Mustern raus will, dann kostet das Kraft und Mut. Idealerweise wird das Muster dabei identifiziert und besprochen. Dann wird geübt und die Führungskraft muss dabei damit leben, dass jetzt auch einmal etwas in den Dutt gehen kann, wie man umgangssprachlich sagt. Daraus kann dann gelernt werden. Die oder der bislang Kontrollierte muss den neuen Freiraum nutzen lernen und Eigenverantwortung wieder leben lernen. Der Lohn ist: Mehr Zeit für das Wesentliche für die Führungskraft, mehr innere Stärke und Entwicklungsraum für die Mitarbeiter und mehr Energie im Unternehmen.
4. Kontrolle ist allerdings nicht immer schlecht: Gegenseitige vereinbarte Kontrolle bringt Sicherheit und Vertrauen, wenn das, was kontrolliert wird, ein für beide sinnvolles Ziel hat. Beim Klettern am Seil beispielsweise gibt es den sogenannten Partnercheck. Gegenseitig kontrollieren sich Sicherer und Gesicherter, ob alles passt, bevor der Gesicherte in die Route einsteigt: Eine Lebensversicherung. In Unternehmen kann das Vieraugenprinzip zum Beispiel bei Banken für eine existentielle Sicherheit im unternehmerischen Sinne sorgen. Zwei Menschen können sich gegenseitig kontrollieren, um zum Beispiel zu lernen, so wie früher beim gegenseitigen Vokabeln abhören. Und mit gegenseitig vereinbarter Kontrolle können auch Schwächen kompensiert werden (so kann man sich helfen lassen, wenn zum Beispiel (noch) nicht so gut formulieren kann und den Brief mit dem schwierigen Sachverhalt vor dem abschicken lieber gegenlesen lässt).
Reflektionsfragen:
Wo kontrollierst Du und bezweifelst eigentlich den Sinn, wenn Du darüber nachdenkst? Was kannst Du tun, um das Muster zu ändern?
Wo wirst Du kontrolliert und willst eigentlich mehr Freiraum und Eigenverantwortung?
Wie willst Du dieses Muster ändern?
Was wird möglich, wenn Du es tust?
Wo würde es Dir helfen, dass Du etwas kontrollieren lässt, weil Du es wirklich nicht gut kannst?
Copyright: Anatol Hennig, 2019
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