Josef als Krisenmanager, ein aktueller Blick auf die Weihnachtsgeschichte...

Nur noch wenige Tage bis zum Fest…

Manchmal habe ich den Eindruck, wir haben uns daran gewöhnt, damit eingerichtet, dass wir im Krisenmodus sind, aber viele hoffen immer noch darauf, dass alles wieder wird wie vorher. Wir erleben Corona mit immer neuen Virus-Varianten, Lieferengpässe, kaum zu übersehende Verschiebungen am Arbeitsmarkt, eine Inflation, deren Verlauf niemand vorhersagen kann und jeder hat gerade wahrscheinlich um sich herum immer wieder Menschen, die gefühlt wirklich stressen, hinzu kommt, dass vieles plötzlich nicht mehr so zu funktionieren scheint wie vorher, ja selbst die gewohnten Systeme teilweise nicht mehr die richtigen Antworten zu haben scheinen.

Wäre die Welt ein Mensch, dann könnten wir auf die Idee kommen, dass wir gerade in einer Entwicklungskrise sind. Eine Krise, wie wir sie in der Pubertät oder in der Mitte des Lebens als Wechseljahre oder Midlifecrisis erleben.

Und genau das ist aus meiner Sicht eine gute Idee in diesen Zeiten: Es ist nur eine Entwicklungskrise, vielleicht sogar der ganzen Menschheit. Fühlt sich krass an, irgendwie auch gefährlich, macht uns unruhig, ist stressig, aber sie ist letztlich nötig, damit wir weiterkommen.

In so einer Krise wissen wir noch nicht genau, was kommt, wie es sich anfühlen wird, nach der Krise - aber wir verstehen idealerweise langsam, dass es nicht mehr so sein wird wie vorher und es fühlt sich auch so an, als ob das, was vorher funktioniert hat, so wie „früher“ nicht mehr alles funktioniert.

Jede Krise hat einen Aufforderungscharakter. Sie fordert uns auf, nachdem wir lange genug geklagt haben, zu verstehen, was nicht mehr geht und was für neue Chancen jetzt da sind. Und sie fordert uns auf, uns anschließend wieder neu auszurichten.

Wenn wir die Pubertät verschlafen und uns in dieser Zeit nicht „neu ausrichten“ auf die Welt, werden wir nicht erwachsen. Wenn wir die weiblichen und männlichen Wechseljahre verschlafen, werden wir als lebende Karikatur in Richtung Alter ziehen. Ob das gut geht? Eher nein.

Krisen sorgen also für die nächste Stufe auf der Reifetreppe. Wir reifen daran. Krisen fordern Entscheidungen, was die alten Griechen schon wussten: Krisis ist altgriechisch und heißt so viel wie Entscheidung.

Was das jetzt mit Weihnachten zu tun hat?

Die Geschichte von Josef und Maria und ihrem Sprössling ist die Geschichte einer handfesten Krise: Josef war ja nicht einmal der Vater, der Vater war der heilige Geist, Josef wollte Maria erst heimlich verlassen, sich davonschleichen und hörte zum Schluss auf die Stimme, die ihm sagte: Stell Dich der Aufgabe, es wird nicht zu Deinem Nachteil sein. Er hat sich dafür entschieden, mit Maria das Jesuskind auf die Welt zu bringen und vertraute sich dem Lauf der Dinge und seiner Kraft an. Er hat gezweifelt und dann Verantwortung übernommen, ohne zurückzuschauen. Die Herberge, die die beiden nach anspruchsvoller Reise erreichten, wollte die beiden werdenden Eltern nicht aufnehmen. Josef ist also etwas widerfahren, was er nicht zu verantworten hatte und er bekam dann auch nicht die Hilfe, die er sich erhofft hatte. Und er hat sich dennoch der Krise gestellt, ihrem Aufforderungscharakter. Der Rest ist hinlänglich bekannt. Die Krippe, das improvisierte Geburtszimmer, ziert heute noch viele Wohnzimmer. Eine Herberge würde auch irgendwie nicht so schön unter dem Baum aussehen…

Weihnachten ist also ein Fest, das uns ein paar Ideen für das Wachsen an Krisen mitgibt: Entscheiden, sich der Aufgabe zu stellen, hilft. Zusammenhalt hilft und darauf zu vertrauen, dass es gut wird, hilft sowieso. Dankbarkeit hilft, weil sie wie von magischer Hand geführt uns darauf ausrichtet, das, was wir geschenkt bekommen können, zu sehen und annehmen zu können. Aber nicht ohne tun: Die Unterkunft wollte gesucht und gefunden werden, auch wenn sie nicht die Erwartete war. Und dann kam das Glück hinzu und half den beiden mit Ihrem weltberühmten Kind. Und dieses Kind sorgte dafür, dass es nicht mehr wurde wie vorher…

Das feiern wir heute noch…

Und wer schon einmal eine persönliche Krise erlebt hat, weiß: Krisen brauchen Denkpausen, Pausen um zu denken und Pausen vom Denken. Dafür kommt Weihnachten jetzt gerade recht, finde ich.

Mit den besten Wünschen zum Fest und für einen guten Jahreswechsel,

Ihr und Euer

Anatol Hennig

19.12.2021

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